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Lisa Taddeo – Animal

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Lisa Taddeo Animal RezensionLisa Taddeos aktueller Roman Animal ist ein verstörender und dringlicher Roman über toxische Männlichkeit, Macht in Beziehungen und die Verdrängung von Traumata.

I drove myself out of New York City where a man shot himself in front of me. He was a gluttonous man and when his blood came out it looked like the blood of a pig. That’s a cruel thing to think, I know.

Der Roman beginnt damit, dass sich der ehemalige Liebhaber unserer 37-jährigen Protagonistin Joan vor ihren Augen in einem Restaurant erschießt. Sie flieht aus New York nach Kalifornien, wo sie unweit von LA einen kleinen, schäbigen Bungalow mitten in einem Canyon bezieht. Dort versucht sie, die Traumata ihrer Vergangenheit hinter sich zu lassen – und einer jüngeren Frau namens Alice näherzukommen. Sie nimmt einen schlecht bezahlten Job an, lernt neue Männer kennen, doch muss schnell feststellen, dass ihre Dämonen sich auch am anderen Ende der Vereinigten Staaten nicht so leicht abschütteln lassen.

There is so much power in the way we obsess. If we could only harness it. If we could only redirect it.

Als ich sah, dass Lisa Taddeo nach ihrem Sachbuch Drei Frauen nun einen Roman geschrieben hat, war ich interessiert – nachdem ich die ersten Sätze gelesen hatte (s. Zitat ganz oben), wusste ich, dass ich es lesen muss. Doch trotz der Tatsache, dass das Buch mit einer Suizid-Szene beginnt, fand ich die anfängliche Entwicklung der Geschichte relativ gemächlich. Wir folgen Joan nach Los Angeles, erfahren zwar mehr über ihre Vergangenheit und werden neugierig ob ihrer Obsession bezüglich Alice, doch so um so richtig reinzukommen, hat es bei mir etwas länger gedauert. Dennoch hat es Taddeo geschafft, mich die ganze Zeit bei der Stange zu halten – Joans mysteriöse Vergangenheit, ihre Beziehungen und ihre Familie, sowie ihre Beweggründe, nach LA zu kommen, mussten erst komplett aufgedeckt werden, damit ich Ruhe fand.

The thing I didn’t expect was that telling her about me would force me to look at myself, at the way I craved the love of men who would never love me. At the way I could not abide women who needed me. At the way I destroyed some while allowing others to destroy me. I felt sick with myself and, at the same time, unburdened. I‘d been telling myself ghost stories my whole life.

Animal Lisa Taddeo Rezension

Und Halleluja, gibt es im Verlauf des Romans viel aufzudecken. Animal ist zwar eher ein Slow Burner, aber sobald das Buch Fahrt aufnimmt, brennt es alles nieder. Irgendwann nimmt es plot-technisch und auch, was einige bestimmte Szenen betrifft, geradezu cineastische Formen an: Explizit, brutal, ekelerregend und verstörend wird die Geschichte zwar nach und nach unrealistischer und überdramatisch, bleibt dabei aber dennoch äußerst fesselnd. Dabei setzt die Autorin neben der langsamen Auflösung von Ereignissen aus der Vergangenheit vor allem auf hier und da eingestreute Andeutungen der Protagonistin über den weiteren Verlauf der Geschichte.

Rund 27 Jahre wurde Joan durch ihre Beziehungen zu Männern geformt – toxische Beziehungen, die auf Macht und Machtmissbrauch aufbauten. Im Laufe der Jahre trifft Joan äußerst fragwürdige Entscheidungen und gerät regelmäßig in Abhängigkeitsverhältnissemit älteren, verheirateten Männern. Einen Vaterkomplex erkennen wir beim Lesen schnell, Joan hingegen braucht einige Zeit, um dahinterzukommen. Keine ihrer Beziehungen tut ihr gut und auch, wenn das toxische und missbräuchliche Verhalten stets von ihren Liebhabern und anderen Männern ausgeht, gibt sich Joan selbst die Schuld für alles was geschieht.

She wore no makeup and I wanted to kill her. But first I wanted to put her in a cage, fatten her up, feed her hormones and pig cheeks and Fanta. Knock her teeth out and shave her eyebrows. I wanted her to die ugly.

Joan ist wütend, so unfassbar wütend auf die Welt, und dieser Zorn brennt sich dank Taddeos schriftstellerischer Fähigkeiten durch die Seiten hindurch. Ihr Selbstwertgefühl hing ihr Leben lang von Männern ab, zu Frauen hatte sie nie positive Beziehungen – stets sind Neid und Eifersucht im Spiel, oder die verzweifelte Suche nach Bestätigung, hervorgerufen durch ihre Kindheit. Umso wichtiger für Joan ist die Erfahrung, sich Alice anzunähern und zum allerersten Mal so etwas wie eine Freundschaft zu erleben. Sympathisch ist sie dabei als Protagonistin eigentlich nie, dennoch gelingt es Taddeo, dass wir uns zumindest ein stückweit eine bessere Zukunft für Joan wünschen, auch nach allem, was Joan selbst tut.

Lisa Taddeos Debütroman Animal ist ein wütendes, krasses und extrem grafisches Buch, das sich wohl nicht für alle Leser*innen eignet. Ein dringlicher Roman über toxische Beziehungen, Machtmissbrauch und die Bewältigung der eigenen Traumata – heftig, aber wirklich lesenswert.


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